Es ist fünf Uhr zwanzig und ich bin
seit ein paar Minuten wach. Ich höre wie mein Mitbewohner gerade
nach hause kommt und bleibe noch ein bisschen liegen. Eine halbe
Stunde später, mache ich mich auf den Weg zu meinem ersten Filmdreh.
Es ist dunkel und gar nicht so kalt wie
ich dachte. Ich bin irgendwo zwischen müde und nicht anwesend, stehe
an der Haltestelle und ignoriere das schlechte Wetter. Ganz in der
Hoffnung, dass das schlechte Wetter mich auch ignoriert und einfach
weggeht. Irgendwann kommt die Bahn und ich sitze neben anderen Leuten
die allesamt von Freude befreit in die Gegend starren auf meinem
Platz. Mein erstes Ziel ist bald erreicht. Der Hauptbahnhof sieht im
Regen aus wie ein nasses Gebäude. Ich laufe zu der nächsten
Haltestelle und warte wieder auf eine Bahn. Die lässt sich nicht
mehr Zeit als angekündigt. Trotzdem fühlt sich rumstehen und
glotzen an wie eine Ewigkeit die den Namen auch verdient. Ich will
das nicht.
Irgendwann kommt das Transportmittel
doch und nimmt mich in sich auf. Nach einer Weile spuckt es mich
wieder aus. Ich bin dort wo ich hin wollte und habe keine Ahnung wo
das ist. Lampen gibt nur wenige und ich erwarte mindestens drei
Männer im Trenchcoat zu sehen, die sich dicke braune Briefumschläge
oder Aktenkoffer zu stecken. Wenigstens einer wird erschossen und im
Gebüsch sitzen Wölfe. An einer Bushaltestelle stehen noch mehr
Menschen und machen einen verlorenen Eindruck. Ich stelle mich dazu
und falle nicht weiter auf. Erschossen wird keiner.
Noch zwei Ewigkeiten später kommt das
Auto mit dem Menschen der mich abholt. Er hat einen Namen den ich mir
nur schlecht merken kann und wir fahren los um einen Dritten
abzuholen dessen Namen ich nie wusste. Überhaupt ist der Dritte im
Auto fast schon ein Phantom. Die Fahrt mit all ihren Hochs und Tiefs
läuft in meiner Erinnerung mal mit mal ohne ihn ab. Als wir abholen
zum Beispiel, ist er dabei. Als wir das erste mal unser Ziel
erreichen schon nicht mehr. Dann kurz wieder, dann nicht und zum
Schluss steigt er mit aus dem Auto. Seltsamer Typ.
Auch seltsam ist das
Orientierungsverständnis derer die uns heute als Komparsen gebucht
haben. Da wo wir sein sollen um da zu sein, ist irgendwie nichts. Gut
da steht ein Haus. Aber das brauchen wir im Moment nicht und sonst
gibt es auch keinen Menschen. Schon gar keinen der uns weiter helfen
kann. Es gibt natürlich Stimmern die jetzt sagen werden, der Weg ist
das Ziel und fühlen sich damit auch noch im Recht. Wenn das wirklich
so ist, werde ich das nächste mal nach dem Aufstehen kurz in die
Richtung gehen wo ich hin soll, mich dann angekommen fühlen und
wieder in mein Bett gehen. Das wird so schön.
Weil ich aber im Moment nicht im Bett
liege, sondern vor einem nutzlosen Haus in der Gegend stehe, rufe ich
eine Menschin an die schon dort sein sollte wo wir auch hin gehören
und nicht viel später haben wir Sichtkontakt.
So ein Filmset im Wald unterscheidet
sich auf den ersten Blick ja nicht groß von einem Wald ohne Filmset.
Es gibt Bäume, Boden und Regen. Es laufen nur mehr Leute rum, die
wissen was sie zu tun haben und nebenbei schlechte Laune verbreiten.
Damit wir auch wissen was wir zu tun haben, werden wir geschickt. Zur
Garderobe nämlich. Da können wir unsere Sachen verstauen und neue
abholen. Das heißt für mich und den anderen erst mal nichts. „Jo
das passt so.“ Ist der fachmännische Kommentar zu unseren Kostümen
die ja eigentlich unsere Kleidung sind und wir werden weiter
geschickt.
Neben der Garderobe gibt es auch noch
einen Kantinenlaster und einen alten Bus der zum drinnen sitzen und
raus gucken einlädt. Das machen wir auch, später. Zuerst geht’s
da hin wo alle sind und wir bekommen uns erklärt. Also die uns die
wir sein sollen wenn die Kamera läuft.
Wir sind die Bösen die sich verkleiden
und dann passiert was. Vorher war auch noch was und zwischendurch
geht’s durch den Wald. Das ist grob die Handlung und ich schaffe es
auch ganz gut ich in meine Rolle rein zu finden. Ich verleihe meinem
Charakter noch ein wenig mehr tiefe und lege ihn als Homosexuellen
an. Damit sich das in meinem Spiel auch wiederfindet gucke ich immer
allen Kerlen auf den Hintern.
Bevor wir anfangen zu drehen, wird noch
mal erklärt was wir genau zu tun haben. Wir verstecken uns hinter
einem Baum, kommen auf Bitte angelaufen und gucken wild durch die
Gegend. Hie sagt man nämlich nicht ACTION sondern BITTE. Das hört
sich auf den ersten Blick nett an, ist es aber gar nicht. Der Onkel
der immer Bitte ruft mein das nämlich nicht so. Der meint das eher
so „Jetzt mach was ich sage oder ich schuppse dich“. Weil wir
immer machen was er sagt, wird keiner geschuppst und bald schon gibt
es Mittag.
Das Mittag ist wie jedes andere Mittag
auch an einem Filmset, glaub ich. Es gibt warmes Essen und
Nachtisch. Getränke gibt es auch.
Besonders freue ich mich über die Küchenrolle die man sich
wegnehmen kann. Überhaupt gibt es am Speiselaster alles mögliche
zum wegnehmen. Pflaster, Ketchup und auch mal Salat. Ich will nur
Küchenrolle. Meine Nase heult schon seit zwei oder zwölf Stunden
und eine Schnupfennase passt so gar nicht zu meiner Rolle. Ich bin ja
ein harter Hund und so ein harter Hund hat nix mit Triefnase zu tun.
Ein harter Hund hat seine Ausläufe unter Kontrolle, was da auch
komme.
Was nach dem Mittag kommt lässt ist
nicht so lang und Fesselspiele gibt’s auch noch. Nur ein bisschen
und anders als die meisten jetzt denken, aber trotzdem. Nach dem
Fesseln sind wir dran mit warten. Wir sitzen in dem Bus und gucken
aus dem Fenster. Bis auf Kinderriegel passiert eine ganze Weile
nichts. Ich nutze die Zeit um mich zu erkundigen wann denn die Folge
im Fernsehen läuft und wie die überhaupt heißt. Chefsache wird
gesagt und in ungefähr einem halben Jahr. Ich überlege wie ich
meinen Karriereanfang vernünftig zelebrieren kann und überlege was
die Arena für einen Abend kostet. Da ich keine Lust habe zu fegen
werde ich wohl doch auf mein Wohnzimmer ausweichen. Bevor ich in
Gedanken weiter komme geht es weiter mit uns vor der Kamera. Ich will
nicht zu viel verraten, aber es wird sich angezogen und durch den
Wald geschlichen. Wer da jetzt noch nicht begeistert ist kann
eigentlich auch aufgeben.
Nach gefühlten mehreren Stunden ist es
vollbracht und nach vielen Bitte`s und Noch mal`s dürfen wir wieder
zurück in unser normales Leben ohne den Ruhm und den Glamour. Weil
eine Bahn sich noch zehn Minuten Zeit lässt komme ich icht ganz so
gut gelaunt zu hause an, bin aber froh diesem Leben für die Kunst
einen Moment den Rücken zukehren zu können.
Ich überlege schon welche Rolle mich
als erstes zu einem Oscar bringen wird. Ich werde wohl Tom Hanks
spielen. Das wird geil wenn ich mir dann den Preis abhole und Tom
Hanks nicht gewinnt. Pech gehabt sag ich ihm dann. Im Jahr darauf
spiele ich Jennifer Aniston und gewinne sowohl den Oscar für die
männliche als auch die weibliche Hauptrolle und Heirate Brad Pitt,
mindestens.
Eine den tatsächlichen Geschehnissen nachempfundene Darstellung.